Arbeitsgruppe Wanderfalke in Bayern
StartseiteBiologie des WanderfalkenWanderfalken - global & regionalÜber unsProjekteBauplan NisthilfeFotosKontakt
Wanderfalken-Beringung in Deutschland
Projekte

 

Auch wenn es im Internet eher ungewöhnlich ist, da die Inhalte hier meist in Schlagworten oder Häppchen präsentiert werden: Vor der kurzen Vorstellung unserer einzelnen Projekte soll eine etwas ausführlichere Einleitung gegeben werden, da alle Vorhaben in eine gemeinsame Grundidee eingebettet sind.

Einleitung

 

Unser Oberziel ist es nicht, den bayerischen Wanderfalken-Bestand auf neue Rekordhöhen zu schrauben! Sondern: Die beiden wichtigsten bayerischen Wanderfalken-Vorkommen – Frankenjura und Alpen – so zu vernetzen, dass der genetische Austausch verbessert wird.

 

Als 1988 die erste Wanderfalken-Brut der "Nach-DDT-Zeit" im Frankenjura stattfand, war ziemlich schnell absehbar, dass dort wieder ein sehr starkes Vorkommen entstehen würde:

 

·      Bereits vor dem großen Bestandeszusammenbruch lebte im Frankenjura die (nach der in den Bayerischen Alpen) zweitgrößte Wanderfalken-Population im Freistaat. Die Vielzahl der Kalkfelsen mit ihren zahlreichen Nischen bieten hier nahezu ideale Brutbedingungen für die Falken.

 

·      Die angrenzende Schwäbische Alb im Nachbar-Bundesland Baden-Württemberg war während des Bestandestiefs das mit Abstand wichtigste außeralpine Rückzugsgebiet des Wanderfalken in Deutschland. Die dortigen Bestände stiegen ab Mitte der 1980er Jahre wieder merklich an, so dass mit einem deutlichen Zuwanderungsdruck zu rechnen war.

 

·      Der "Deutsche Falkenorden" wilderte zwischen 1977 und 1990 an sechs verschiedenen Orten in Nordbayern gut 130 junge Wanderfalken aus. Aufgrund der starken geographischen Rückorientierung der Jungfalken (® "Biologie des Wanderfalken") waren Ansiedlungen dieser Vögel vor allem nördlich der Donau zu erwarten.

 

So kam es dann auch: Beide Vögel des oben erwähnten ersten Brutpaars im Frankenjura 1988 waren beringt, so dass ihre Herkunft ermittelt werden konnte  – ein Brutpartner stammte aus Baden-Württemberg, der andere aus den Auswilderungen in Nordbayern.

 

Wir standen nun vor der Frage, aus welcher Richtung wir mit der Verbindung der beiden Wanderfalken-Vorkommen im Frankenjura und den Bayerischen Alpen beginnen sollten. Naheliegender schien zunächst ein Beginn von Süden, also von den Alpen her, da der dortige Bestand bereits deutlich stärker war als die erst in der Initialphase befindliche Population im Frankenjura. Aus zwei Gründen haben wir uns dann aber letztendlich dazu entschlossen, die Verbindung von Norden zu beginnen:

 

·      Eine aktive Vernetzung ist nur über Nisthilfen an hohen Bauwerken möglich. Solche Bauten sind im Alpenvorland ("glücklicherweise" würden die meisten Erholungssuchenden wohl sagen) jedoch eher selten. Im Gegensatz dazu liegt südlich des Frankenjura die Donauebene, in der sich zahlreiche hohe Raffinerie- und Kraftwerkskamine befinden, so dass eine reiche Auswahl an "Kunstfelsen" für die Anbringung von Horstkästen zur Verfügung stand.

 

·      Junge Wanderfalken werden nicht nur auf ihre geographische Heimat geprägt, sondern auch auf den Horsttyp, aus dem sie ausfliegen. Gebäudeansiedlungen waren also in erster Linie von Jungfalken zu erwarten, die an Bauwerken ausgeflogen sind. Ende der 1980er Jahre gab es in Bayern jedoch keine einzige Wanderfalken-Gebäudebrut! Bei den oben erwähnten Auswilderungen des "Deutschen Falkenordens" in Nordbayern wurden jedoch über ¾ der Vögel an Gebäuden freigelassen – d. h. die einzige Quelle von "gebäudeliebenden" Wanderfalken in Bayern waren diese Auswilderungen. Und die Freilassungsorte lagen allesamt deutlich näher am Frankenjura als an den Alpen.

 

Nachfolgend nun eine kurze Vorstellung der einzelnen Projekte unserer Vernetzungsstrategie:



1. Wanderfalken-Nisthilfen an hohen Schornsteinen in der Donauebene (1990-1999)

 

In den 1990er Jahren haben wir im Großraum Ingolstadt 8 Wanderfalken-Horstkästen an hohen Schornsteinen angebracht. Dies war nur möglich dank der Aufgeschlossenheit der beteiligten Unternehmen.

.

 

Raffinerie aus der Wanderfalken-Perspektive (Foto: OMV)


Nach Anbringung der ersten Horstkästen wurde unsere Geduld zunächst auf eine harte Probe gestellt: Es sollte lange dauern, bis die erste Nisthilfe von Wanderfalken angenommen wurde. Intern witzelten wir schon, dass wir uns eigentlich in "Arbeitsgruppe Turmfalke in Bayern" umbenennen sollten, weil sämtliche Horstkästen im Großraum Ingolstadt zunächst von Turmfalken bezogen wurden. 1998 war es dann aber endlich soweit: Bei unserer Kontrolle Anfang März balzte über einem Kraftwerk bei Ingolstadt ein Wanderfalken-Paar mit atemberaubenden Flugspielen und flog anschließend den Kasten an – die erste Nisthilfe war von Wanderfalken angenommen worden! Die weitere Besiedlung ging dann plötzlich sehr schnell: Seit dem Jahr 2001 sind 7 der 8 angebrachten Horstkästen von Wanderfalken besetzt und es fliegen jährlich im Durchschnitt 15 junge Wanderfalken aus.


2. Horstkästen im Großraum München (1993-2008)

Nachdem die ersten Wanderfalken-Kästen im Großraum Ingolstadt angebracht waren – und sich die ersten Jahre erst mal gar nichts tat – entschieden wir uns dennoch, etwa 70 km weiter südlich einen zweiten möglichen Ansiedlungsraum für die Falken zu schaffen: Bereits 1993 brachten wir in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken München die ersten Wanderfalken-Nisthilfen an den größeren Heizkraftwerken der Landeshauptstadt an.

 

 

München und seine "Ersatzfelsen" (Foto: H. Ellrott)

 

 

Auch hier war anschließend wieder sehr viel Geduld erforderlich: Erst 6 Jahre später, also 1999, kam es dann zur ersten Wanderfalken-Brut in München. Unsere Nisthilfe am Heizkraftwerk Süd war angenommen worden und das Paar brachte einen Jungfalken zum Ausfliegen. 35 Jahre nach der letzten Wanderfalken-Brut in München (1964 an der Frauenkirche) war der "Schnellste Jäger" wieder zurück.

 

Dieser Erfolg brachte für uns natürlich einen gewaltigen Motivationsschub und so haben wir in den Folgejahren in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Gebäudeeigentümern noch zahlreiche weitere Wanderfalken-Horstkästen im Großraum München angebracht. Und bald begann auch hier der Aufbau eines Populationskerns: Die folgende Abbildung zeigt die Bestandesentwicklung des Wanderfalken im Stadtgebiet von München seit dem letzten "wanderfalkenfreien" Jahr 1998.



Bestandesentwicklung des Wanderfalken im Stadtgebiet von München 1998-2008


Betrachtet man nicht nur das Stadtgebiet sondern den gesamten Großraum München (ca. 30 km Umkreis), so hat sich hier neben dem Raum Ingolstadt ein zweiter Gebäudebrüter-Schwerpunkt gebildet: Im Jahr 2008 brüteten in München und Umland 10 Wanderfalken-Paare, die 21 Jungvögel zum Ausfliegen brachten.

 

3. Wanderfalken-Beringung im Großraum München (seit 2002)

 

1999 fand im Süden von München die erste Wanderfalken-Brut der "Nach-DDT-Zeit" statt und bereits im Jahr 2000 siedelte sich ein zweites Paar im Münchener Norden an. Nach dem Raum Ingolstadt begann sich nun also ein zweiter Populationskern zu bilden. Aber: Unser Oberziel war eine Populationsbrücke zwischen Jura und Alpen; auch wenn München hier ziemlich genau in der Mitte liegt, wussten wir jedoch nicht, wo "unsere" Falken herkamen und wohin ihre Jungen abwanderten – ein sehr unbefriedigender Zustand.

. 

Im Gegensatz zum Nachbar-Bundesland Baden-Württemberg wurden Wanderfalken in Bayern nie beringt. Entsprechend war über die Herkunft der Altfalken und den Verbleib der Jungfalken in Bayern so gut wie nichts bekannt. Daher entschlossen wir uns, zumindest im Großraum München mit der Wanderfalken-Beringung zu beginnen. Die Kennzeichnung der Falken sollte im Anhalt an eine Vereinbarung der ostdeutschen Wanderfalken-Schützer (sog. "Wachberg-Protokoll") erfolgen, um die Beringungsprogramme dieser Bundesländer nicht zu stören. Für Interessierte: Wir haben eine Übersicht zur Wanderfalken-Beringung in Deutschland zusammengestellt; Sie gelangen dorthin, wenn Sie auf das entsprechende Textfeld links neben der Überschrift dieser Seite klicken.

Das sog. "Wachberg-Protokoll" legt fest, dass jungen Wanderfalken am rechten Fuß einen individuellen Kennring erhalten und am linken Fuß einen Vogelwartenring, der entsprechend dem Bruthabitat farbig eloxiert ist: Fels ® rot, Gebäude ® gelb (gold), Baum ® grün. Die von uns an den Bauwerksbrutplätzen im Großraum München beringten Jungfalken erhalten daher links einen golden eloxierten Vogelwartenring und rechts einen Kennring mit einer Buchstaben-Ziffern-Kombination. Bei den Kennringen entschieden wir uns für die Farben blau und weiß – diese Kombination entspricht den bayerischen Landesfarben (...) und wird in keinem anderen Bundesland verwendet.

.

Bereits wenige Jahre nach dem Start 2002 gelangen uns die ersten Wiederbeobachtungen der von uns beringten Falken – mit äußerst spannenden Ergebnissen. Beispielhaft soll hier eine Brut aus dem Jahr 2004 herangezogen werden, bei der an einer Kirche im Münchener Süden 4 von uns beringte Wanderfalken ausflogen: Die Weibchen "B4" und "B5" sowie die beiden Männchen (= "Terzel")  "B6" und "B7".



Terzel "B7" und Weibchen "B5" der Wanderfalken-Brut an einer Kirche im Süden von München im Jahr 2004
(Foto: K. Singer)


Bereits im Folgejahr 2005 entdeckten wir, dass sich das Männchen "B7" an einer anderen Kirche in München als Revierterzel angesiedelt hatte (® "Fotos"). 2006 tauchte dann der Terzel "B6" an einem Schornstein in einem Vorort im Westen von München auf und hatte dort schon im selben Jahr den ersten Bruterfolg. Ende 2008 erhielten wir schließlich von der "Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz" aus Baden-Württemberg die Nachricht, dass das Weibchen "B4" 2008 an einem Gewerbehochhaus im Osten von Stuttgart erfolgreich gebrütet hat. Da die Zahl der von uns beringten Jungfalken jährlich steigt, erwarten wir auch, dass die Rückmeldungen in den nächsten Jahren weiter zunehmen werden.

 

4. Nisthilfen an Funktürmen in Südbayern (seit 2003)  

 

Nachdem sich der Wanderfalke Ende der 1990er Jahre sowohl im Raum Ingolstadt als auch in München zu etablieren begann, galt es nun

 

1.  diese beiden Vorkommen zu verbinden und

 

2.  das letzte noch unbesiedelte Gebiet – den ca. 75 km breiten Streifen zwischen München und den Alpen – zu überbrücken.

 

Da Wanderfalken wesentlich höhere Ansprüche an ihre "Ersatzfelsen" stellen als z. B. Turmfalken, schieden die meisten noch einigermaßen häufigen Bauwerke – wie etwa Dorfkirchen – hierfür aus. Der einzig flächenmäßig halbwegs verbreitete Gebäudetyp mit über 50m Höhe ist in Südbayern außerhalb der Städte und Industriegebiete eigentlich nur der Funkturm. Und hier hatten wir doppeltes Glück:

 

·      Für diese Bauwerke ist die "Deutsche Funkturm" (ein Tochterunternehmen der "Deutschen Telekom") zuständig. Dort trafen wir auf sehr aufgeschlossene Mitarbeiter, ohne die wir dieses Projekt nie hätten umsetzen können. 

 

·      Die Nisthilfen sollten aus Betriebsgründen und auch wegen der Abstrahlung unterhalb der Funkplattformen – also am Turmschaft – angebracht werden. Dies geht nur mit ausgebildeten Industriekletterern, was natürlich sehr teuer ist. Glücklicherweise konnten wir die renommierteste Umweltstiftung im deutschsprachigen Raum für unser Projekt begeistern: Die "Allianz Umweltstiftung" (® www.allianz-umweltstiftung.de). Auch ohne deren Unterstützung wäre das Projekt nicht umsetzbar gewesen.






Wanderfalken-Nisthilfe an Funkturm (Foto: S. Kramer)

 

2003 haben wir mit der Montage der ersten Horstkästen an Funktürmen begonnen und seit 2005 brüten Wanderfalken an "unseren" Funktürmen in Südbayern – Tendenz steigend!

 

 

Ausblick

 

In den nächsten Jahren wird die Erfolgskontrolle für unser Oberziel "Vernetzung" zunehmend an Bedeutung gewinnen. Daher wird ein nicht unerheblicher Anteil unserer Arbeit auf die Beringung und Kennring-Ablesung sowie das Sammeln von Wanderfalken-Federn für genetische Untersuchungen (an der Universität Heidelberg) entfallen.

StartseiteBiologie des WanderfalkenWanderfalken - global & regionalÜber unsProjekteBauplan NisthilfeFotosKontakt